Wort des Tages – Pontius Pilatus
Wenn man heute jemandem sagen will, dass er in einer Angelegenheit über Gebühr berücksichtigt oder erwähnt wird, dann sagt man vielleicht: Der kommt dazu wie der Pontius Pilatus ins Credo (Glaubensbekenntnis). Pontius Pilatus wird im Glaubensbekenntnis erwähnt, wohl deshalb, um den Tod Jesu auch geschichtlich einzuordnen. Es lohnt sich, über diese Gestalt nachzudenken.
Pilatus hatte ein hohes Amt inne, als Statthalter war er Vertreter des Kaisers in dieser Provinz und zuständig für die Ordnung, sowie für die Gerichtsbarkeit.
Für Pilatus war Jesus nichts besonderes. Er wurde auf ihn aufmerksam, weil der Hohe Rat Jesus ihm vorführte. Pilatus hat Jesus verhört nach den genauen Regeln des damaligen römischen Rechtes, aber er fand keine Schuld bei ihm. Im Gegenteil, er kam zur Überzeugung, dass dieser Jesus keine Schuld trage. Auch Herodes hatte nichts gefunden und ließ Jesus wieder zu Pilatus schicken.
So geriet Pilatus in einen inneren Widerstreit. Sein Gewissen sagte ihm, der ist unschuldig. Die aufgehetzte Menge aber forderte den Tod von Jesus. Was in den Evangelien ausführlich geschildert ist, ist das innere Ringen des Pilatus mit der Stimme des Gewissens. Mehrmals versuchte er, Jesus doch freizulassen. Aber die Menge schrie immer heftiger, immer lauter, ans Kreuz mit ihm! Pilatus hätte Jesus gerne freigelassen, aber er fürchtete offensichtlich die Konsequenzen, einen Aufruhr in Judäa, eine Anklage beim Kaiser oder den Verlust der Karriere.
Beim Verhör mit Jesus sagte Pilatus schließlich die bedeutsamen Worte: „Was ist Wahrheit?“ (Joh 18,38) Er hatte diese Frage für sich offenbar nicht entschieden. Er war in der Wahrheitsfrage Relativist. Hier liegt das Grundproblem, an dem sein Verhalten erklärbar wird.
So stellte sich für Pilatus die Frage: Heiligt der Zweck – die Ruhe und Ordnung in Judäa, die eigene Karriere – die Mittel, nämlich einen Unschuldigen der Hinrichtung preiszugeben? Diese Frage konnte der Relativist Pilatus nicht einfach verneinen. So handelte er gegen sein Gewissen und überließ Jesus dem Kreuzestod. Er handelte, wie wir heute sagen würden opportunistisch. Er opferte die Wahrheit der Mehrheit bzw. den lautstarken Schreiern. Er opferte die Gerechtigkeit dem eigenen Vorteil und der Karriere.
So wusch Pilatus zwar seine Hände in Unschuld, aber er hatte sich schuldig gemacht. Pilatus erinnert uns damit an viele Situationen im Leben, wo wir in Gewissenskonflikte kommen, wo wir die Stimme Gottes hören, aber dann in Versuchung geraten, anders zu handeln, weil ein gewisser Druck da ist, weil wir Angst bekommen oder weil wir einen Nachteil befürchten.
An Pilatus wird deutlich, welche Folgen der Relativismus hat. Er führt letztlich zur Diktatur jener, die lauter schreien, zum Verstummen des Gewissens und öffnet dem Unrecht die Tür.