Allerheiligen

Allerheiligen

Am Grab unserer lieben Verstorbenen

Die nicht gehaltene Ansprache zu Allerheiligen am Grab unserer lieben Verstorbenen

Liebe Gläubige aus der Pfarre!

Liebe Gläubige, die ihr von auswärts gekommen seid!

Wir haben uns eingefunden am Friedhof, am Grab unserer Lieben. Wir haben und eingefunden im Glauben an die Unsterblichkeit der Seele, im Glauben an das neue Leben, das mit der Taufe begonnen hat, als Gemeinschaft der Glaubenden, die sich gegenseitig vor allem auch im Gebet mittragen.

Heute haben wir keine offizielle Feier am Friedhof, weil unsere Vorgesetzten dies aus Sorge um unsere Gesundheit verboten haben. Aber das Gebet ist frei. Bei Gott gibt es kein social distancing. ER ist immer und überall erreichbar. Für uns geht es heute um viel mehr als um die Gesundheit. Wir haben das Heil des ganzen Menschen vor Augen. Zunächst einige Gedanken, die uns am Grab naheliegen.

                                                Gedanken am Grab unserer Lieben

1) Am Grab wird uns der eigene Ursprung wieder mehr bewusst. Viele von uns haben schon ihre Großeltern, die Eltern oder Geschwister oder sogar Kinder im Grab liegen. Unsere Vorfahren machen uns die Herkunft bewusst. Vieles, was wir haben, was wir sind bis hin zu gewissen Eigenarten, ist uns von Gott über unsere Vorfahren geschenkt worden. Wir haben es empfangen. Am Gab erinnern wir uns auch daran, dass die Verstorbenen uns ein Erbe hinterlassen haben. Unter vielen Entbehrungen und Opfern haben sie vieles aufgebaut. Unser Wohlstand, unsere Kultur aber am allermeisten ist der Glaube, dessen Weitergabe an uns wir auch ihnen verdanken ein Erbe, eine heilige Verpflichtung, das Erbe zu erwerben, um es zu besitzen und weiterzutragen.

2) Am Grab wird unsere Beziehung zu den Verstorbenen neu bewusst. Durch die Heilige Kirche sind wir mit ihnen in einer lebendigen Verbindung, weil wir wissen, dass die Kirche jene Gemeinschaft ist, die neben den Engeln und Heiligen auch die Seelen der Verstorbenen in ihrem Schoß umfasst. 

–          Wir denken an unsere Verstorbenen in Dankbarkeit für vieles, was wir ihnen verdanken. Am meisten gilt dies wohl unsere Eltern, denen wir das Leben selbst verdanken.

–          Hier empfinden wir besonders den Schmerz der Trennung und manche Wunden, die noch nicht geheilt sind, legen wir dem Herrn und Heiland hin, der selbst am Grab seines Freundes Lazarus geweint hat.

–          Wir denken hier am Grab vielleicht auch an manche versäumte Gelegenheiten, die sich nicht mehr geboten haben, versäumte Möglichkeiten der Liebe oder auch an Dinge, die wir nicht mehr bereinigen konnten.

–          Gerade deshalb tröstet uns die Glaubenswahrheit, dass wir unseren Verstorbenen helfen können in der Läuterung auf ihrem Weg zu Gott, durch unsere Gebete, durch gute Werke, die wir Gott für sie schenken, durch Leiden und Widerwärtigkeiten, die wir im Geiste der Sühne für die Verstorbenen annehmen, und am meisten, durch den Ablass, den wir in diesem Monat November täglich gewinnen können.

–          Gleichzeitig wird uns auch bewusst, dass wir in christlichem Gedenken unsere Verstorbenen nicht besitzend festhalten sollen. Wir sollen sie loslassen, um sie auf der Ebene des Glaubens auf neue Weise und frei in Gott lieben zu können.

3) Am Grab stehend blicken wir tiefer, werden wir realistischer. Hier wird uns mehr bewusst, wie vergänglich und relativ vieles ist, dass selbst Himmel und Erde vergehen werden. Am Grab gewinnen wir neue Maßstäbe für das, was wirklich zählt, worauf es wirklich ankommt. Was bleibt, was niemals verloren geht, was allein wichtig ist, ist die Liebe, die uns mit Gott und untereinander verbindet. Sie ist ewig und hört niemals auf. Sie führt uns dem entgegen, der uns in der Fülle erwartet.

Den Himmel vor Augen

So ist das Grab auch ein Anstoß zur Umkehr, zur Neubesinnung, ein Anstoß, weiterzublicken, vorauszublicken, über das Kreuz des Grabens und durch das Kreuz unsere Alltags hindurch auf die Auferstehung zu schauen.

Wir dürfen und sollen in uns die Sehnsucht, eine Art Heimweh nach  dem Himmel nähren, wie es der Apostel Paulus hatte, als er sagte: Ich sehne mich danach, aufzubrechen und beim Herrn zu sein. Bei Paulus ist diese Sehnsucht gewachsen, weil er Christus wirklich begegnet ist in einer Erscheinung vor Damaskus und weil er ihn durch ein Leben der vollen Hingabe immer tiefer kennengelernt hat. Damit weist er uns den Weg. Wir dürfen dieses Leben leidenschaftlich lieben als Weg, als Hinführung zum ewigen Leben.

Liebe Gläubige!

Diese unsere Gedanken am Grab, unsere Tränen, unsere Liebe zu den Verstorbenen mögen uns helfen, unsere menschliche und geistliche Identität als Kinder Gottes noch tiefer zu erfassen und das Erbe der Väter wieder neu und bewusst zu erwerben. Sie mögen uns helfen, offen zu sein für die christliche Hoffnung, die uns sagt: Als Pilger sind wir unterwegs zu Gott, zur Fülle bei IHM. Unsere Lieben sind nicht von uns gegangen, sie sind uns lediglich vorausgegangen. Wir wandern ohne Ruh, der ewigen Heimat zu! Amen.